WATCH OUT STAMPEDE
In den vergangenen Monaten hat sich im Norden etwas zusammengebraut. Fast wirkt es, als sei wäh rend des Sommers nicht ein Sonnenstrahl durch die dicke Bremer Wolkendecke gedrungen. Der deutschen Metalcore-Institution WATCH OUT STAMPEDE scheint nach zehn Jahren Karriere das Lachen vergangen zu sein, denn so düster und brutal, wie auf ihrer neuen EP „Inversions“, hat man die Band bisher noch nicht erlebt.
WATCH OUT STAMPEDE haben das nett hergerichtete, touristische Bremen hinter sich gelassen und sind für „Inversions“ dahin gegangen, wo das echte Leben stattfindet. So wie es in der norddeutschen Hafenstadt Ecken gibt, die von harter Arbeit, Schmutz und Wetter gezeichnet sind, haben auch WATCH OUT STAMPEDE das Verlangen gespürt, ihre Musik nicht mehr klinisch rein in einem sterilen Umfeld zu produzieren, sondern an echten Verstärkern zu drehen, schweißüberströmt auf Trommeln einzuprügeln und eine ganz neue Stimmgewalt zu entfalten. Kurzum: Es ging darum, dem Sound seine ursprüngliche Bedeutung zurückzugeben – unmittelbar und spürbar. „Die Songs auf ‚Inversions‘ sind mit keinem unserer bisherigen Veröffentlichungen vergleichbar“, behauptet Gitarrist und Clean Sänger Dennis Landt. Frontmann Andreas ‚Ando‘ Hildebrandt ergänzt typisch norddeutsch und wortkarg: „Komplett neues Soundgerüst – düsterer, roher, ehrlicher, mehr Gewalt, mehr Handarbeit.“
Nach gut einem Jahrzehnt war es für WATCH OUT STAMPEDE Zeit für eine selbstkritische Bestandsaufnahme und Auseinandersetzung mit der eigenen Szene: „Der deutsche Metalcore entwickelt sich in eine sehr konstante Richtung: Alles glatter, sauberer, perfekter. UND JA, das traf auch auf uns zu. Aber wir finden uns in diesem Korsett nicht mehr wieder“, resümiert Ando. Nach zehn Jahren Erfahrung gilt es, die persönliche und musikalische Entwicklung auch zum Ausdruck zu bringen. Dennis beschreibt die neuen Koordinaten, in denen WATCH OUT STAMPEDE nun stattfinden: „Stillstand bedeutet im Grunde nichts anderes als Rückschritt. Der typische Metalcore-Sound hat für uns ausgedient – so einfach wollten wir es uns nicht mehr machen. Wir wollen etwas eigenes, das uns schon beim ersten Gitarrenanschlag als die Band repräsentiert, die wir sind. Gleichzeitig hat Ando seinen Gesangsstil enorm weiterentwickelt und viel neues probiert. Mit Alex Adelhardt (u.a. MARATHON MANN, NORTHLANE) haben wir den Producer gefunden, der uns genau auf dieses Level bringen konnte. Die Zusammenarbeit war eine großartige Erfahrung.“
Die „Inversions“-Tracks sind ein Ventil. „Ich hatte eine schwere Zeit über Corona hinweg. Ich musste lernen, mit meinen Fehlern umzugehen und sie aufzuarbeiten, damit sie sich nicht mehr wiederholen. Ich musste lernen, mich selbst zu akzeptieren“, blickt Ando zurück. Dennis überführt diese Gedanken in den Band-Kontext: „Wie alle anderen auch, haben wir ein forderndes Jahr hinter uns, mit viel Druck von außen und von uns selbst. Wir haben erfahren, was es bedeutet, einerseits in seiner Musik vollkommen aufzugehen, diese dann aber nur digital und nicht persönlich, mit der Welt teilen zu können.“ Aber auch ein positiver Aspekt blieb dadurch nicht aus, wie Ando zugibt: „Durch die Situation haben wir uns als Band komplett neu gefunden und stehen als Familie nun enger zusammen als jemals zuvor!“ Das Ergebnis dieser Selbstfindung heißt „Inversions“, dessen Titel Dennis folgendermaßen aufschlüsselt: „Wir erleben große Veränderungen und einen Wandel auf der Welt – das ist Privileg und Verantwortung zugleich. Vieles kehrt sich um oder steht Kopf. Sorgen wir dafür, dass unsere Zukunft dabei nicht auf der Strecke bleibt.“
Und nun sind WATCH OUT STAMPEDE nicht mehr wiederzuerkennen? „Es steckt immer noch 100% WATCH OUT STAMPEDE drin, wo es draufsteht“, beschwichtigt Dennis. „Gerade die Fans, die uns schon lange verfolgen, werden unsere Band-DNA auch in diesen Songs finden.“ Genauso mögen die neuen Tracks in erster Linie von Verlust, Verzweiflung aber auch einer kämpferischen Haltung handeln und von den unterschiedlichen Krisen und Entbehrungen der Corona-Monate geprägt sein, aber das bedeutet noch lange nicht, dass die Konzerte von WATCH OUT STAMPEDE zukünftig ein Trauerspiel sind und den schnodderigen Humor der Band vermissen lassen werden. Dennis stellt klar: „Wir machen das alles hier, weil wir es lieben und es uns großen Spaß macht – und das soll man auch ruhig weiterhin bei unseren Shows spüren. Wer also befürchtet, dass wir live jetzt das Schnacken einstellen, der täuscht sich gewaltig!“ Ando beschließt: „Wir sind wie wir sind und dazu gehört nun mal raubeiniger Humor und Slapstick auf der Bühne. Wir bleiben, wie wir sind – die Band zum Fremd schämen und Knuddeln.“